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Führender Medizin-Wissenschaftler wird mundtot gemacht

Gepostet am  5. November 2018 von  René Gräber mit  63 Kommentaren

Es geht um Dr. Goetsche. Dr. Goetzsche ist Arzt, Forscher und Industriekritiker. Er ist auch Mitbegründer des Cochrane Instituts. Die meisten Menschen werden vom Cochrane Institut noch nie etwas gehört haben – sollten sie aber, denn viele Mediziner beziehen sich mit ihrem „Wissen“ auch auf die Untersuchungen des Cochrane Instituts.

Wikipedia beschreibt das Institut so:

Die Cochrane Collaboration, benannt nach Archie Cochrane, ist ein weltweites Netz von Wissenschaftlern und Ärzten. Ziel ist, systematische Übersichtsarbeiten (systematic reviews) zur Bewertung von medizinischen Therapien zu erstellen, aktuell zu halten und zu verbreiten“.

Und als solches steht es in dem Ruf, unabhängig und der Hüter des „Heiligen Grals der Schulmedizin“, der evidenzbasierten Medizin, zu sein.

Wenn jemand das Format zum Hüter hat, dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Dr. Goetzsche. Denn er kritisierte bereits vor etlichen Jahren die eigene Institution und beschuldigte sie, gelegentlich an Datenextraktionsfehlern zu leiden. Das heißt, dass in den Cochrane Übersichtsarbeiten durchaus Daten selektiv verarbeitet wurden, also die angenehmen Daten in die Verarbeitung aufgenommen wurden, während die nicht so angenehmen Daten verschwanden. Und Sie dürfen raten welche Daten „verschwunden“ sind…

Die Pharmaindustrie – schlimmer als die Mafia

Zu dem dänischen Forscher und Arzt, Dr. Peter Goetzsche, hatte ich im Jahr 2015 einen längeren Beitrag veröffentlicht:  Die Pharmaindustrie – schlimmer als die Mafia?

Dieser Beitrag charakterisiert Dr. Goetzsche als jemanden, der die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf das Nachhaltigste ablehnt. Dementsprechend industriekritisch fallen seine Bewertungen von einer Reihe von Medikamenten, Medikamententests und Impfungen, vor allem der HPV-Impfung, aus. Seine Forderungen können nur ein Dorn im Auge der Industrie sein:

Eine Revolution im Gesundheitswesen, unabhängige Medikamententests, Offenlegung der Studiendaten (auch wenn sie nicht so gut ausfallen), ein Ende der Bestechlichkeit der Ärzteschaft mit Reisen, Essen und finanziellen Vergütungen für lächerliche, pseudowissenschaftliche Praxisstudien (die die Firma im Reißwolf verschwinden lässt), ein Verbot von Werbung für Medikamente, die oft genauso tödlich sind wie Zigaretten, für die es aber inzwischen auch ein Werbeverbot gibt.

Im Jahre 0 der Cochrane Unabhängigkeit: Der Bock wird zum Gärtner

Anfang des Jahres 2013 brachte die „Süddeutsche Zeitung“[1] einen interessanten Artikel heraus, der sich um die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Cochrane Instituts drehte. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt gab es Zeichen, dass hier einiges an Bemühungen seitens der Pharmaindustrie lief, diese Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu unterlaufen.

Der zündende Funke war wieder einmal: die  HPV-Impfung. Denn diese „Jubel-Impfung“ war (nachdem der Jubel verhallt war), nachhaltig in die Kritik gekommen. Und so sah man sich auch im Hause Cochrane veranlasst, hier eine „unabhängige Bewertung von Nutzen und Risiken“ zu erstellen.

Dagegen lässt sich wenig einwenden. Wo die Sache anfängt grotesk zu werden, ist, wenn an dieser „unabhängigen“ Auswertung genau die Autoren teilnehmen, die bereits von der Industrie für die zu beurteilenden Veröffentlichungen bezahlt wurden und die sie jetzt selbst (nochmal) zu beurteilen haben. Oder mit anderen Worten: ein Teil der Autoren soll hier unabhängig die eigene Arbeit in Augenschein nehmen und bewerten. Kurz: der Bock wird zum Gärtner.

Von den 14 dazu auserkorenen Autoren hatten zu diesem Zeitpunkt bereits acht Zuwendungen von der Impf-Industrie erhalten. Und ein Neunter war gerade dabei, für einen Impfstoffhersteller eine Studie in Costa Rica durchzuführen. Und zwei Wissenschaftler aus der „wilden 14“ fielen durch besonders massive Interessenskonflikte auf. Bei diesen beiden Autoren handelt es sich um die eben erwähnten Prüfer, die ihr eigenes, von der Industrie bereits bezahltes Machwerk noch mal im Rahmen einer Cochrane Untersuchung bewerten dürfen. Und einer der beiden Wissenschaftler, ein Kanadier, hat sogar seine Beteiligung an diesen von der Industrie bezahlten Studien versucht geheim zu halten.

Bei solchen Berichten, gerade wenn sie von Quellen wie der „Süddeutsche Zeitung“ kommt, darf man ruhig davon ausgehen, dass die Pharmaindustrie bereits zu diesem Zeitpunkt ganze Arbeit hat leisten können und den Fuß in der Tür zum Hause Cochrane hat.

Im Jahre 5 nach Cochrane: Kritiker werden rausgeworfen

Jetzt, fünf Jahre nach den oben beschriebenen Ereignissen wurde es an der Zeit, den größten Stolperstein für die Pharmaindustrie im Hause Cochrane zu entfernen. Und das ist Dr. Goetzsche, der unverbesserliche „Wirrkopf“, der immer noch an evidenzbasierte Medizin, Heilung, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und anderes wirres Zeugs glaubt.

Denn er hatte die Zeichen der Zeit nicht erkannt, als die EMA 2015 einen Untersuchungsbericht zur HPV-Impfung veröffentlichte, der zum Besten gab, dass bestimmte Nebenwirkungen (das komplexe regionale Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome, CRPS) und das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS), bei geimpften und ungeimpften Frauen gleich häufig auftreten, also keine typischen Probleme der Impfung sind, was die Impfung sicher macht. Im Jahr 2018 hat ein Cochrane-Review[2], die Zeichen der Zeit sehr wohl erkennend, geurteilt, dass die HPV-Impfung wirksam und sicher ist. Wenn man sich die Erklärungen zu bestehenden Interessenskonflikten[3] einmal anschaut, dann darf der aufmerksame Leser erkennen, dass drei der vier Autoren die Zeichen der Zeit erkannt hatten und sich entsprechende Zuwendungen von entsprechenden Impfstoffherstellern für ihre „Mühen“ haben zukommen lassen…

Gegen diese Arbeit aus dem eigenen Hause veröffentlichte Dr. Goetzsche zusammen mit zwei weiteren Kollegen im „British Medical Journal“[4] eine entsprechende „Nachbetrachtung“.

Er bemängelte hier, dass die Übersichtsarbeit sich durch eine Reihe von Versäumnissen auszeichnet:

  • Rund die Hälfte aller qualifizierten Arbeiten sind unterschlagen worden.
  • Keine der aufgenommenen Studien wurde mit echtem Placebo durchgeführt, sondern Placebo waren hier Adjuvanzien oder Hepatitis-Vakzine.
  • Die Effektivität der HPV-Impfung wurde anhand von Ersatzparametern bewertet und nicht an aktuellen Daten, die zeigen, dass Krebserkrankungen durch die Impfung kausal und direkt verhindert werden. Ich gehe einmal davon aus, dass es solche Daten bislang überhaupt nicht gibt, weswegen nur Ersatzparameter = Vermutungen zum Einsatz kommen müssen.
  • Die Untersuchung unterschlägt auch Datenmaterial, das schwere und nachhaltige Nebenwirkungen dokumentiert.
  • Alle in die Auswertung aufgenommenen Studien waren von der Industrie bezahlte Veröffentlichungen. Ich gehe einmal davon aus, dass alle diese Studien zu tollen Ergebnissen gekommen sind.

Die Schlussfolgerung der drei Autoren besteht darin, dass es keinen Grund gibt, diese Übersichtsarbeit als „glaubwürdig“ zu bezeichnen. Grund für diese Annahme ist die Tatsache, dass alle Studien von der Industrie unterstützt und damit tendenziös sind. Und dass die Autoren der Übersichtsarbeit ebenfalls von der Industrie bezahlt und damit nicht vorurteilsfrei sind.

Wer nicht (auf)hören will muss fühlen

Eine Arbeit gegen das eigene Haus und dann noch im „British Medical Journal“? Das muss Konsequenzen haben!

Cochrane beeilte sich dann auch, am 26. September 2018 ein entsprechendes Statement der Vorstandsmitglieder zu veröffentlichen[5].

Die darin erklärte Urteilsbegründung, warum Dr. Goetzsche „abgeschossen“ wurde, erwähnt mit keinem einzigen Wort mögliche Fehler und Fehleinschätzungen in Dr. Goetzsches Beurteilung über das, was Cochrane unter Industriebeteiligung jetzt in die Welt der Wissenschaft ausstreut.

Im Wesentlichen sind es zwei Punkte, die die Vorstandsmitglieder stört:

  • Erstens, sein Verhalten, welches die „Verhaltensregeln“ von Cochrane missachtet.
  • Zweitens geht die Mehrheit der Vorstandsmitglieder davon aus, dass seine Aktionen gegen die besten Interessen der uneigennützigen Statuten von Cochrane verstoßen.

In einem Nachsatz wird noch erklärt, dass „gewisse öffentliche Verlautbarungen“ seitens Dr. Goetzsche die Notwendigkeit der Vertraulichkeit verletzt hatten, was dieses Vorgehen letztendlich ausgelöst hatte.

Man darf dies auch als Eingeständnis ansehen, dass man Dr. Goetzsche vorwirft, die Beteiligung der Industrie bei dieser speziellen Übersichtsarbeit nicht nur nicht verschwiegen zu haben, sondern sogar noch speziell betont zu haben. In der Führungsetage hätte man es lieber gesehen, dass diese Tatsache besonders „vertraulich“ behandelt worden wäre, denn man will ja seine Geldgeber nicht abschrecken.

Nach dem Rausschmiss solidarisierten sich vier weitere Kollegen aus dem Vorstand mit Dr. Goetzsche und traten ebenfalls geschlossen zurück. Sie hinterließen ebenfalls eine Erklärung:  Why-we-resigned.pdf. Sie sehen den Rauswurf von Dr. Goetzsche als ein Zeichen für eine Wende innerhalb Cochrane, die sie nicht gutheißen.

Fazit

Herzlichen Glückwunsch! Die Pharmaindustrie hat es endlich geschafft, auch die letzte Bastion der unabhängigen, unbeeinflussten und unbeeinflussbaren medizinischen Wissenschaft (zu großen Teilen jedenfalls), zu sprengen und für sich einzunehmen.

Die letzte Cochrane Stellungnahme zur HPV-Impfung ist ein lebendiger Beleg dafür. Drei der vier Autoren sind bezahlte Agenten der Industrie. Und die Ergebnisse dieser „unabhängigen Studie“ sind so eindeutig Hollywood, dass man es geradezu als beleidigend empfindet, wie diese Konsorten die Intelligenz ihrer Adressaten unterschätzen. Und auch die Erklärungen der Führungsriege von Cochrane in Bezug auf den Abschuss von Dr. Goetzsche sind ein Angriff auf die Intelligenz derer, die diese Erklärung zu Gesicht bekommen.

Mir wäre dieser Verein viel sympathischer, wenn man erklärt hätte, dass man fortan auf unabhängige Wissenschaft pfeift, endlich mal richtig Geld von der Industrie zu Gesicht bekommt, und dass man Querulanten wie den Goetzsche entfernt, weil der das Geschäft zu versauen droht.

Quellen:

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