QUABAIN

Strophanthin

Eine Neubewertung


K. Sroka Facharzt für Allgemeinmedizin, Hamburg


Schlüsselwörter Strophantin, Digitalis, Natrium-Pumpe, Herzinsuffizienz, ischämische Herzkrankheit


Guten Erfolgen in der praktischen Anwendung von oralem Strophanthin bei Herzinsuffizienz und ischämischer Herzkrankheit steht eine Lehrmeinung gegenüber, die diesen positiven Ergebnissen widerspricht. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, den aktuellen objektiven Kenntnisstand zur Wirkweise von Strophanthin zusammenzufassen. Die wichtigsten Resultate: Strophanthin hat eine zweiphasige Dosis-Wirkung Beziehung. Im hohen Dosisbereich wird die Natrium-Pumpe gehemmt, im Niedrigdosisbereich stimuliert Strophanthin die Natrium-Pumpe. Low-doseStrophanthin steigert die kardiale Vagusaktivität mit konsekutiver Sympathikolyse. In hoher Dosis resultiert eine sympathische Überstimulation. Low-dose-Strophanthin steigert die endotheliale NO Bioverfügbarkeit. Low-dose-Strophanthin aktiviert multiple zelluläre Signalkaskaden mit protektiven Effekten für den Herzmuskel speziell bei Ischämie und Kalzium-Über
ladung. Die ausgewiesenen Serumspiegel von perlingual bzw. oral verabreichtem Strophanthin sind für die genannten Effekte ausreichend. Strophanthin hemmt die nachteilige neurohumorale Aktivierung von Sympathikus und RAAS bei Herzinsuffizienz. Das mit Kalzium überladene  insuffiziente Myokard wird durch niedrig dosiertes Strophanthin in seiner kontraktilen Leistung gestärkt. Low-dose-Strophanthin hemmt die  Entwicklung einer Azidose im ischämischen Myokard und hat über Signalaktivierung eine protektive Wirkung bei Ischämie und  Reperfusion. Dieses Wirkprofil qualifiziert low-dose-Strophanthin für die Behandlung von Herzinsuffizienz und ischämischer Herzkrankheit.
Keywords Ouabain, digitalis glycosides, sodium pump, heart failure, ischemic heart disease
Summary There is a discrepancy between the successful application of ouabain given orally for 
ischemic heart disease and heart failure and a doctrine which contradicts these positive results. This review intends to outline the current objective knowledge of the effects of ouabain. The main results:  Ouabain has a two-phase dose-effect relationship. In high doses ouabain inhibits the sodium pump, low-doseouabain stimulates the sodium pump. Low dose ouabain increases cardiac vagal activity in connection with withdrawal of cardiac sympathetic activity. In high dosage, sympathetic overstimulation is resulting. Lowdose-ouabain increases the bioavailability of NO. Low-dose-ouabain activates multiple signal transductions with cardio-protective effects, especially in case of ischemia and  calcium overload. The known serum concentrations of ouabain by oral application are sufficient for these effects. Ouabain inhibits the neurohumoral activation which is detrimental in heart failure. Ouabain increases the contractile force in the insufficient myocardium overloaded with  calcium. Ouabain inhibits the development of myocardial acidosis during ischemia. Lowdose-ouabain has shown protective effects to myocytes by signal transduction in case of ischemia and reperfusion. These effects qualify ouabain for the treatment of heart failure and ischemic heart  disease.
Korrespondenzadresse Dr. med. Knut Sroka Facharzt für Allgemeinmedizin Hamburg E-Mail: [email protected]
Ouabain: a re-evaluation Med Welt 2015; 66: 275–280
Einleitung Von der Praxis für die Praxis Dieser Artikel ist die Konsequenz praktischer ärztlicher Tätigkeit. Der Autor ist Allgemeinarzt und führt seit einigen Jahren eine spezielle Sprechstunde für Herzpatienten durch, in der er häufig, weil e rfolgreich Strophanthin einsetzt. Es handelt sich im wesentlichen um Patienten 
mit Herzinsuffizienz, NYHA II-IV sowie um Patienten mit Angina pectoris und/ oder Zustand nach Herzinfarkt. Das Feedback dieser Patienten auf die vorzugsweise perlinguale Applikation einer Strophan- thin-Lösung ist überwiegend positiv. Häufig ist zu hören: ich fühle mich wohler,  ruhiger und kräftiger, ich komme die Treppen besser hoch oder – bei NYHA IV – ich komme besser über den Tag. Angi
na-pectoris-Anfälle gehen spürbar  zurück, thorakale Beklemmung weicht e inem freieren Gefühl im Brustkorb. Der Schlaf ist häufig verbessert, gelegentlich wird von aufgelockerter Stimmung b erichtet. Wenn diese Patienten sich mit ihrem Hausarzt oder Kardiologen über Strophanthin unterhalten, wird ihnen in der Regel dringlich abgeraten, dieses Medika
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ment zu nehmen. Aus herrschender Sicht mit Recht. Bei diesen Patienten besteht praktisch immer eine KHK. Strophanthin als Herzglykosid hemmt bekanntlich die Natrium-Pumpe und steigert darüber den intrazellulären Kalziumgehalt, wodurch Kontraktilität und Sauerstoffverbrauch des Herzmuskels ansteigen. Also ist Strophan- thin bei diesen Patienten kontraindiziert und sollte ihren Zustand und ihr Befinden verschlechtern. Diese Diskrepanz zwischen meinem subjektiven Eindruck und der offiziellen Lehrmeinung hat mich veranlasst, den  aktuellen objektiv belegbaren Kenntnisstand zur Wirkweise von Strophanthin zusammenzufassen. Dabei gilt es zunächst, zwei fest verankerte Irrtümer auszuräumen, die bisher jede Bemühung um eine Neubewertung von Strophanthin im A nsatz blockiert haben.
Irrtum 1: Strophanthin hemmt  die Natrium-Pumpe Diese Aussage ist in ihrer Allgemeingültigkeit falsch. Im hohen Dosisbereich hemmen Herzglykoside charakteristischerweise die Na+/K+-ATPase (NKA) der Zellmembran, kurz Natrium-Pumpe genannt. Seit den Siebzigerjahren ist belegt, dass Strophanthin im hohen Dosisbereich die Natrium-Pumpe hemmt und dass niedrig  dosiertes (low dose) Strophanthin die  Natrium-Pumpe in ihrer Aktivität stimuliert (1–3). Diese zweiphasige Dosis-Wirkung Beziehung beschränkt sich nicht auf Strophanthin, sondern ist eine generelle E igenschaft der Herzglykoside (4). Der Umschlag von überwiegender Stimulierung zu überwiegender Hemmung liegt für Strophanthin in Abhängigkeit vom Elektrolytmilieu etwa bei 10 ng/ml SerumKonzentration oder noch darüber (5). Nach 6 mg perlingual appliziertem Strophanthin (ehemals 2 Kapseln Strodival) liegen die Serumwerte zwischen 0,2 und 0,3 ng/ml (6). Bei täglicher i.v.-Gabe von 0,5 mg Strophanthin wurden an gesunden menschlichen Probanden Steady-state-Serum-Konzentrationen von 0,5 ng/ml g emessen (7). Die Ansicht, das Strophanthin durchweg die Natrium-Pumpe hemmt, resultiert aus den zahlreichen In-vitro-Versuchen, in 
denen bis zu 1 000fach höhere Dosierungen durchweg eine Hemmung der N atrium-Pumpe induzieren. Die therapeutischen Serumspiegel führen hingegen zu e iner Stimulierung der Natrium-Pumpe. Die zweiphasige Dosis-Wirkung-Beziehung wird therapeutisch genutzt, indem Digitalis-Intoxikationen erfolgreich mit niedrig dosiertem Strophanthin behandelt werden. Diese im deutschen Raum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gängige Praxis (8) ist kürzlich in einer Studie aus I srael bestätigt worden (9). Low-dose-Strophanthin konnte in dieser In-vitro- und In- vivo-Studie an Meerschweinchen erfolgreich die durch Digoxin verursachte  Kardiotoxizität verhindern. Dieser Effekt wird nur bei niedrig dosiertem Strophanthin beobachtet, bei höherer Dosis tritt d iese Schutzwirkung nicht auf (9).
Irrtum 2: Strophanthin verursacht Hyper tonie 1991 wurde erstmals im menschlichen Plasma g-Strophanthin (englisch „Ouabain“) isoliert (10). Dieser Befund wurde in der Folgezeit verschiedentlich bestätigt. Als Produktionsstätte wurde die Nebennierenrinde identifiziert. Die Serumspiegel liegen bei Gesunden zwischen 0,09–0,15 ng/ml und steigen bei essenzieller Hypertonie und Herzinsuffizienz auf 0,2–0,3 ng/ml (11). Jüngste Arbeiten zeigen, dass es sich beim „endogenen Ouabain“ nicht exakt um g-Strophanthin handelt, sondern um eine von der Struktur her fast , jedoch nicht ganz identische Substanz (12, 13). Erhöhte „endogene“ Strophanthin-Werte wurden mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht, vor allem mit e ssenzieller Hypertonie. Es wurde sogar ein „Ouabain-Antagonist“, der an Ratten antihypertensive Effekte zeigte, klinisch getestet. In einer umfangreichen Studie erwies sich dieser Strophanthin-Antagonist am Menschen als wirkungslos. In unterschiedlichster Dosierung fand sich kein blutdrucksenkender Effekt (14). Unphysiologisch hohe Strophanthindosen hatten tierexperimentell wiederholt  einen hypertensiven Effekt gezeigt. Zur Frage, welche Auswirkungen eine chronische niedrig dosierte Strophanthingabe auf den Blutdruck hat, ist aktuell durch eine 
umfangreiche Arbeit aus Kuwait ein klares Signal gesetzt worden (15). Die kontinuierliche Gabe von Low-dose-Strophanthin über drei Monate an Ratten hatte in dieser Studie keinen Einfluss auf den Blutdruck. Neben zahlreichen anderen Parametern wurden mittels Radiotelemetrie, Puls, Blutdruck, Herzfrequenz-Variabilität und  Barorezeptoren-Reflexsensitivität bestimmt. Es zeigte sich, dass die sympathische Nervenaktivität nicht erhöht wurde, der Katecholamingehalt im Urin blieb unbeeinflusst. Hingegen wurde die kardiale Vagusaktivität durch die kontinuierliche Gabe von niedrig dosiertem Strophanthin signifikant gesteigert. Damit sollte das Thema, dass Strophanthin in physiologisch niedriger Dosierung Hypertonie verursacht, vom Tisch sein. Die in der Praxis am Patienten fast ausnahmslos zu beobachtende leichte blutdrucksenkende Wirkung durch kontinuierliche perlinguale oder orale Einnahme von Strophanthin findet in dieser Studie an Ratten keine Bestätigung. Eine vergleichbare Studie am Menschen wäre wünschenswert.
Wirkprofil Was ist gesichert? Die wichtigsten Effekte von Strophanthin auf Herz und Kreislauf werden abschnittsweise behandelt: • Strophanthin und Natrium-Pumpe, • Strophanthin und autonomes Nervensystem, • Strophanthin und NO, Sauerstoffradikale und ANP, • Strophanthin und intrazelluläre Signalkaskaden, • Strophantin vs. Digitalis, • Bioverfügbarkeit von oralem Strophantin.
Strophanthin und Natrium-Pumpe Im Low-dose-Bereich binden Strophanthin-Moleküle an hochaffine Rezeptoren der Natrium-Pumpe, der Na+K+-ATPase (NKA), um darüber einen stimulierenden Effekt auf die NKA auszuüben. Bei höherer Anflutung von Strophanthin-Molekülen binden diese an niedrig-affine Rezeptoren, wodurch eine Hemmung der Pumpenakti
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vität vermittelt wird. Diese Zusammenhänge sind von der Arbeitsgruppe um T. Godfraind (Brüssel) in den 1970er-Jahren umfassend herausgearbeitet worden (1–3) und sind dann wohl in Vergessenheit geraten.
Strophanthin und autonomes  Nervensystem Der Einfluss von Strophanthin auf die kardiale Vagustätigkeit ist seit langem Gegenstand der Forschung. Herzglykoside steigern die Barorezeptoren-Sensitivität (16). Im niedrigen Dosisbereich wird die afferente vagale Nervenaktivität in den Carotis-Sinus-Fasern gesteigert. Konsekutiv r esultiert eine gesteigerte efferente kardiale Vagusaktivität bei gleichzeitiger Abnahme des sympathischen Tonus (17, 18). Auch an den Barorezeptoren ist die zweiphasige  Dosis-Wirkung Beziehung dieser Substanzgruppe zu beobachten. Bei gesteigerter Dosis bis hin in den toxischen Bereich schwächt sich zunächst der Vaguseffekt ab, um schließlich einer sympathischen Überstimulation zu weichen (19). Strophanthin beeinflusst umfassend die parasympathische Nervenaktivität, indem es aus Synaptosomen Acetylcholin (ACh) in den synaptischen Spalt freisetzt. Die Freisetzung von ACh durch Strophanthin gilt sowohl für cerebrale Synaptosomen (20) als auch für Synaptosomen in den postganglionären Nervenendungen im linksventrikulären Myokard (21, 22). Im ZNS stimuliert Strophanthin parasympathische Zentren (23). Damit korrespondiert der Eindruck in der Praxis, dass Low-dose-Strophanthin ein Potenzial zur Beruhigung und Schlafförderung, zur  Anxiolyse und Stimmungsaufhellung besitzt. Die komplexen Zusammenhänge zwischen niedrig oder auch höher dosierten Herzglykosiden und den unterschiedlichsten Bereichen und Funktionen des ZNS sind bisher kaum erforscht. Über die Freisetzung von ACh aus den postganglionären Vagusfasern im Myokard hat Strophanthin einen direkten und sehr schnellen Zugang zum Geschehen in der Myokardzelle. Am Herz-Lungen-Präparat hatte Gremels 1937 gezeigt, dass Strophanthin und Digitoxin in geringen Dosen die Stoffwechselwirkung des Acetylcholins am Herzmuskel akut bis zu 1 000fach(!) 
steigern. Aus diesen Versuchen ergab sich weiterhin, dass selbst kleinste Mengen an Strophanthin hinsichtlich der Wirkungssteigerung des Acetylcholins einen vollen Effekt auslösen (24). Man kann heute davon ausgehen, dass Low-dose-Strophanthin einen gesicherten vagomimetischen Effekt ausübt. Dieser ist mit einem sympathikolytischen Effekt verbunden. In einer Studie an Meerschweinchen wurde gezeigt, dass Strophanthin in minimaler Konzentration das „Re-uptake“ des Noradrenalins im synaptischen Spalt des Meerschweinchen-Herzens stimuliert, also sympathikolytisch wirkt (25). Im höheren Dosisbereich schwächte sich dieser Effekt deutlich ab. In einer weiteren In vitro-Untersuchung wurde gezeigt, dass niedrige Strophanthin-Konzentrationen die Katecholamin-Freisetzung aus dem Nebennierenmark hemmt (26). Die kardialen Vaguseffekte: Am Sinusknoten negativ chronotrop, am Reizleitungssystem negativ dromotrop und negativ bathmotrop, das ist Allgemeingut. Die Wirkungen auf die ventrikuläre Myokardzelle sind weniger geläufig. Lange Zeit hielt sich die universitäre Lehrmeinung, dass das ventrikuläre Säugetier-Myokard nur sympathisch, nicht parasympathisch innerviert sei. Diese Meinung ist erst in den letzten 30 Jahren revidiert worden. Das ventrikuläre Myokard ist durchgehend vagal innerviert. Efferente postganglionäre vagale Fasern treten über den AV-Knoten in die Ventrikel ein und breiten sich subendokardial aus, um von dort in die intramuralen Schichten einzudringen. (27, 28). Das an den efferenten Nervenendungen ventrikulär freigesetzte Acetylcholin (ACh) erreicht alle Myokardzellen (29). Der second messenger cholinerger Aktivität in der Myokardzelle ist cGMP, das mit cAMP, dem second messenger adrenerger Aktivität in komplexer Form interagiert. Sympathikusaktivität steigert cAMP, wodurch der intrazelluläre Kalzium Gehalt erhöht und ein positiv inotroper Effekt ausgelöst wird. Vagusaktivität steigert cGMP und senkt den Kalzium Spiegel, worüber ein leichter negativ inotroper Effekt vermittelt wird. Injektionen von Strophanthin in die Arteria carotis ergab mittels vagaler Stimulierung eine leichte Abnahme der 
myokardialen Kontraktilität im Tierversuch (16). Der Einfluss der kardialen Vagusaktivität auf metabolische Prozesse im ventrikulären Myokard wird außerhalb der Wissenschaft kaum wahrgenommen. Sympathikus und cAMP steigern die katabole Stoffwechselaktivität wie die Glykolyse, Vagus und cGMP stimulieren anabole Prozesse wie die Glykogensynthese. Die kardiale Vagusaktivität hat einen ökonomisierenden Effekt durch Senkung der metabolischen Aktivität bei gleicher Arbeitsleistung. Im Herz-Lungen Präparat von Hunden führten geringe Konzentrationen an Strophanthin zu einer Abnahme (!) des Sauerstoffverbrauchs. Höhere Konzentrationen steigerten den Sauerstoffverbrauch (30). Die im ischämischen Myokard hochgradig gesteigerte Glykolyse wird durch cGMP gebremst (31). Damit kann die Entwicklung der deletären Azidose im ischämischen Areal durch Vaguseinfluss abgeschwächt bzw. verhindert werden. Dies wird durch Vagusnerven-Stimulation (VNS) anschaulich demonstriert. Die in a lten Zeiten übliche Carotis-Sinus-Massage hatte ausgeprägte antianginöse Effekte (32, 33). Auch elektrische Vagusnerven-Stimulation ist effektiv, Anfalle von Angina pectoris zu kupieren (34). Die perlinguale Applikation von Strophanthin hat gesicherte antianginöse Wirkungen (35–37). Als Strophanthin noch für die Klinik präsent war, wurde gezeigt, dass die i.v.Applikation ventrikuläre(!) Arrhythmien in einem erheblichen Umfang reduzieren kann. Dieser anti-arrhythmische Effekt des Strophanthins wurde auf eine Stimulierung der kardialen Vagusaktivität bezogen (38, 39).
Strophanthin und NO,  Sauerstoffradikale und ANP Der Signalstoff NO wird unter anderem in den Endothelzellen gebildet und bewegt sich schnell und ungehindert durch die Zellwände. In der glatten Gefäßmuskulatur wird durch NO die cGMP-Bildung stimuliert, wodurch die glatten Muskelzellen im Tonus nachgeben und eine Vasodilatation ausgelöst wird. In den Thrombozyten induziert NO via cGMP eine verringerte Aggregationsneigung. Scherstress ist die ent
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scheidende Determinante der NO-Produktion in den Endothelzellen. Der NO Gehalt passt die Gefäßwände mit jeder Pulswelle dem jeweiligen Scherstress an und übt damit eine protektive Wirkung auf die Gefäße aus. NO hemmt die Blutgerinnung. NO Mangel ist die entscheidende Größe zur Entwicklung der endothelialen Dysfunktion. NO Mangel ist von Anbeginn in den Prozess der Arteriosklerose involviert. Niedrig dosiertes Strophanthin stimuliert über eine aktivierte Signalkaskade die NO Produktion in arteriellen Endothelzellen (40, 41). Mehr noch, Strophanthin steigert die NO Verfügbarkeit in arteriellen Gefäßen, weil es gleichzeitig die Produktion von Sauerstoff-Radikalen (SuperoxydAnionen) vermindert (41). Sauerstoff-Radikale reagieren mit NO unter Bildung des zytotoxischen Peroxinitrits. Oxidativer Stress als wohl wichtigste Quelle der Radikalenbildung senkt die NO Bioverfügbarkeit. Strophanthin kann hier wirksam gegensteuern und die gefäßprotektiven und gerinnungshemmenden Effekte von NO zur Geltung bringen. Endothelial gebildetes NO agiert nicht nur am Gefäßsystem. Es penetriert von den koronaren Endothelzellen auch in die Myokardzellen. Hier stimuliert NO über einen löslichen Rezeptor im Cytosol, (Guanylat-Cyclase), die cGMP-Bildung. NO und kardiale Vagusaktivität agieren synergistisch. cGMP ist der gemeinsame Messenger. Strophanthin senkt in der Herzmuskelzelle den Gehalt an oxidiertem NAD(P)H als Gradmesser oxidativer  Zellaktivität (42). Strophanthin sollte d adurch die NO Bioverfügbarkeit auch in der Myokardzelle erhöhen. Strophanthin stimuliert die Sekretion von ANP, dem atrialen natriuretischen Peptid (43). Dieses reagiert in den verschiedensten Zellen und Organen mit  einem membrangebundenen GuanylatC yclase-Rezeptor, wodurch die cGMP-Produktion gefördert wird. Diese Rezeptoren befinden sich auch an Endothelzellen und Thrombozyten (44). Auch hierüber kann ein gefäßprotektiver und Thrombozytenaggregations-hemmender Einfluss von Strophanthin vermittelt werden.
Strophanthin und zelluläre  Signalkaskaden Die Entdeckung von „endogenem“ Ouabain/Strophanthin Anfang der Neunziger hat der Strophanthin-Forschung einen erheblichen Schub gegeben. Dabei stieß man auf einen bisher nicht bekannten Pfad, die Aktivierung zellulärer Signalwege. Die Natrium-Pumpe, genauer die Na+/K+-ATPase (NKA) ist integraler Bestandteil aller Säugetierzellen. In der Zellmembran befinden sich Caveolae (Bläschen), die einen Pool an Signalstoffen enthalten. Die NKA steht in Kontakt zu den Caveolae. Wenn Strophanthin-Moleküle an die NKA binden, kann eine Vielzahl unterschiedlicher Signalkaskaden aktiviert werden. Die Auswirkungen betreffen Wachstum und Motilität der Zellen, den Zellkontakt untereinander, Apoptose und vieles andere mehr (45, 46). Für den Herz-Kreislaufbereich ist besonders die Aktivierung der Src-Kaskade von Bedeutung, weil hierüber kardioprotektive Effekte getriggert werden (47, 48). Die Aktivierung des Na+/K+-ATPase/c-Src Rezeptor-Komplexes durch Strophanthin dichtet die Mitochondrien ab. Rattenherzen erfuhren einen deutlichen Schutz gegenüber Ischämie und Reperfusion, wenn ihnen kurz zuvor Strophanthin appliziert wurde (47, 48). Signaleffekte werden stets durch wenige Moleküle ausgelöst. Es bedarf also nur minimaler Strophanthin-Konzentrationen, um diese Schutzeffekte auszulösen. Es zeigte sich, dass der durch Signalaktivierung ausgelöste kardioprotektive Effekt des Strophanthins gegenüber Ischämie und Reperfusion im niedrigsten getesteten Dosisbereich am stärksten war (47).
Strophanthin vs. Digitalis Strophanthin ist hydrophil und agiert nur an der Zelloberfläche. Digoxin ist lipophil und penetriert die Zellmembran (49, 50). Strophanthin hat einen schnellen Wirkungseintritt, Digoxin wirkt verzögert. g-Strophanthin hat eine Halbwertszeit von 12 Stunden und kumuliert nicht. Digoxin besitzt bei einer Halbwertszeit von 40 Stunden eine hohe Kumulationsneigung. Entsprechend groß ist beim Digoxin die Gefahr der Intoxikation. Wichtiger: Bei gängi
ger Dosierung verlässt die Digoxin Applikation nach relativ kurzer Zeit den Niedrigdosisbereich, um zunehmend in den Hochdosisbereich mit seinem differenten Wirkprofil einzutreten. Daraus resultiert, dass Low-dose-Strophanthin die Natrium-Pumpe aktiviert,  vagomimetisch und sympathikolytisch wirkt. Wohingegen diese Effekte nur am Beginn einer Digitalisbehandlung anzutreffen sind, um relativ bald ins Gegenteil umzuschlagen: Die Natrium-Pumpe wird gehemmt, der vagomimetische Effekt weicht einer Stimulierung sympathischer Aktivität. Low-dose-Strophanthin triggert über Signalaktivierung Kalziumoszillationen (45). Diese Oszillationen sind mit einer kontrollierten Freisetzung von Kalzium aus den Speichern im Sarkoplasmatischen Retikulum verbunden. Die komplexen Zusammenhänge, in denen Strophanthin über Signalaktivierung die myokardiale Kontraktilität unabhängig von einer Hemmung der Natrium-Pumpe steigert, sind Gegenstand aktueller Forschung (51). Auch Digoxin steigert die myokardiale Kontraktilität keineswegs nur über eine Hemmung der NKA mit konsekutivem intrazellulärem Kalzium-Anstieg. Digoxin penetriert die Zellmembran und bindet an den Ryanodin Rezeptor (RyR2) auf der Oberfläche des Sarkoplasmatischen Retikulums, wodurch die Kalzium Kanäle geöffnet werden und die Kontraktilität der Herzmuskelzelle gesteigert wird (52). Auch hier besteht Forschungsbedarf. In jedem Fall unterscheiden sich die positiv inotropen Effekte von Strophanthin und Digoxin fundamental. Hinsichtlich des für Low-d ose-Strophanthin gegebenen Schutzes g egen Ischämie und Reperfusion per Aktivierung der Src-Kaskade ist für Digoxin nichts Vergleichbares bekannt. Die herrschende Lehrmeinung wirft Strophanthin und Digitalis in einen Topf. Diesen Irrtum gilt es zu beenden. Im Vergleich zwischen Strophanthin und Digitalis Präparaten ragt das Wirkprofil von Lowd ose-Strophanthin positiv heraus.
Bioverfügbarkeit von oralem  Strophanthin Oral appliziertes Strophanthin hat nur eine geringe enterale Resorptionsrate im einstel
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ligen Prozentbereich. Daraus entspann sich eine über Jahrzehnte hinziehende heftige Diskussion, ob mit der oralen Verabreichung von Strophanthin überhaupt zuverlässige Effekte erzielt werden können. Diese Auseinandersetzung soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Viel wichtiger als eine niedrige Resorptionsquote ist die Frage, ob eine ausreichende Serumkonzentration für einen bestimmten Zeitraum erzielt werden kann. Diese Frage kann für oral bzw. perlingual verabreichtes Strophanthin positiv beantwortet werden. Für oral/perlingual verabreichte Strophanthin Präparate sind Serumkonzentrationen zwischen 0,3 ng/ml und 1 ng/ml gemessen worden (6, 53). Die Low-dose-E ffekte zur Signal Transduktion, zur Steigerung von NO und kardialer Vagusaktivität und zur Stimulation der Natrium-Pumpe sind damit zweifelsfrei gegeben. In einer aktuellen Neubewertung von Digoxin werden auch hier niedrige Serum-Konzentrationen von unter 1 ng/ ml für eine wirksame und schonende Digoxin-Applikation empfohlen (54).
Klinik Strophanthin bei Herzinsuffizienz Strophanthin war lange Zeit das führende Medikament in Europa, speziell in Deutschland, zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Das therapeutische Profil von Strophanthin ist in mehreren Monografien, wie der von Edens aus dem Jahr 1948 (8) ausführlich beschrieben worden. In den zurückliegenden Jahrzehnten geriet Strophanthin ins Abseits. 1991 erschien noch einmal eine klinische Studie zur Wirksamkeit von Strophanthin bei Herzinsuffizienz (NYHA IIIIV) im Doppel-Blind-Vergleich mit Digoxin. Beide Substanzen erhöhten nach zwei Wochen und nach drei Monaten die kontraktile Herzleistung in Ruhe, jedoch nur durch Strophanthin wurde diese unter körperlicher Belastung gesteigert. Im Gegensatz zu Digoxin induzierte Strophantin eine hochgradige Absenkung des Noradrenalingehaltes im Plasma (55). Herzinsuffizienz hat sich zu einer führenden Ursache von Morbidität und Mortalität in den westlichen Ländern entwickelt. Die Einführung von „ACE-Hem
mern“, „AT1-Antagonisten“, „Beta Blockern“ und Aldosteron-Antagonisten hat zu deutlichen Fortschritten in der Behandlung herzinsuffizienter Patienten geführt. Doch Krankheits- und Todesrate sind weiterhin hoch und drängen nach einer Ausweitung des therapeutischen S pektrums. Die „Wiederentdeckung“ des Strophanthins könnte sich als nützlich erweisen. Die neurohumorale Aktivierung von Sympathikus und RAAS ist integraler Bestandteil einer chronischen systolischen Herzschwäche. Alle modernen therapeutischen Ansätze versuchen, diese neurohumorale Aktivierung zu hemmen. Ein solcher Ansatz trifft auch auf niedrige Serumspiegel von Strophanthin zu. Die neurohumorale Aktivierung zugunsten der sympatho-exzitatorischen Seite induziert eine Kalzium-Überladung in der Myokardzelle. „Calcium Overload“ schädigt die Mitochondrien (56), fördert die Produktion von Sauerstoff-Radikalen (57) und hemmt die NKA (58, 59). Als Konsequenz dieser schädlichen Auswirkungen beeinträchtigt Kalzium Überladung den Kontraktionsvorgang und senkt die myokardiale Kontraktilität (60, 61).
Im Experiment an ventrikulären  Purkinje Fasern führte Low-dose-Strophanthin unter Basisbedingungen zu einer leichten Abschwächung der Kontraktilität (61). Unter der Bedingung eines „Calcium Overl oads“ steigerte(!) Strophanthin die geschwächte Kontraktionskraft (59, 61). Diese Resultate legen nahe, dass das durch Kalziumüberladung insuffiziente Myokard durch Strophanthin in seiner kontraktilen Leistung gestärkt wird. Die geschilderten Effekte von Low-dose-Strophantin erklären diese Wirkung: Wenige Moleküle Strophanthin dichten die Mitochondrien gegen Kalzium-Überladung mittels Signaltransduktion ab (47, 48). Dadurch bleibt die Energieversorgung des geschwächten Myokards gesichert. Low- dose-Strophanthin aktiviert die Natrium-Pumpe und gibt der autonomen Herzsteuerung eine gegenteilige Richtung:  Sympathikolyse und Stimulierung kardialer Vagusaktivität. Hierdurch wird die Kalzium-Überladung der Myokardzelle abgebaut, die metabolische Aktivität der Myokardzelle wird ökonomisiert und die Glykogenspeicher werden aufgefüllt. Es resultiert eine Erholung und Steigerung geschwächter Kontraktilität. Dieses Wirk- 
Fazit für die Praxis
Zunächst einmal gilt es, die verbreitete Annahme, Strophanthin und Digoxin seien wirkungsgleiche Substanzen zu revidieren. Der aktuelle Kenntnisstand, der neue Blickwinkel auf die Wirkweise und das therapeutische Potenzial von Strophanthin eröffnet, lädt zur praktischen Anwendung bei KHK und Herzschwäche ein. Eingesetzt werden gegenwärtig standardisierte Extrakte von Strophanthus-Samen, wässrig alkoholische Lösungen des Wirkstoffs und in Kapseln abgefüllter fester Wirkstoff. Keine  dieser Zubereitungen ist galenisch optimiert.  Leider gibt es zur Zeit nichts Besseres. Die therapeutische Dosis richtet sich ganz nach dem individuellen Bedarf. Edens hat diese Erfahrung in den Satz gekleidet: „Jedes Herz braucht seine eigene Strophanthindosis“ (8). Eine detaillierte Anleitung zur Strophanthin Einnahme und Dosierung ist meiner Website (69) zu entnehmen. Ich begleite jede Strophanthin-Therapie mit Analysen zur Herzfrequenz-Variabilität 
(HRV), die ich vor Beginn und grobmaschig im Verlauf durchführe. Mit Hilfe der HRV-Analyse komme ich zu einer Einschätzung der  aktuellen autonomen Balance. Je stärker die kardiale Vagusaktivität eingeschränkt ist, desto schwerer in der Regel das Krankheitsbild bei KHK und Herzinsuffizienz und desto höher die endgültige Dosis. Bei Patienten mit nur gering reduzierter Vagus- und gleichzeitig lebhafter Sympathikusaktivität empfehlen sich niedrige Dosierungen. Diese Patienten mit einem „lebhaften vegetativen Nervenkostüm“ klagen bei höherer Dosis schnell über Schwindel, Herzklopfen, Hitze- und  Kältesensationen und anderes mehr. Low-dose-Strophanthin kann gut mit üblichen Herzmedikamenten kombiniert werden. Schleimhautreizungen sind die einzigen gravierenden Nebenwirkungen, die zur Dosisverringerung und eventuell zum Absetzen zwingen. Bei sich einstellendem therapeutischem Erfolg kann versucht werden, die häufig sehr umfangreiche Medikation dieser Patienten zu reduzieren, in aller Behutsamkeit.
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profil qualifiziert Low-dose-Strophanthin als modernes Therapeutikum der c hronisch systolischen Herzinsuffizienz.
Strophanthin und myokardiale Ischämie Auch bei Angina pectoris und Zustand nach Moykardinfarkt wurde Strophanthin in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erfolgreich eingesetzt (8). In Studien aus den achtziger Jahren konnten  antianginöse Eigenschaften von perlingual appliziertem Strophanthin objektiviert werden (35–37). In einem Bergwerk an der Ruhr kam 1974 ein Betriebsarzt auf die geniale Idee, die Kumpel unter Tage mit Strophanthin Kapseln zu versorgen. Weil die Ausfahrt aus dem Schacht beträchtliche Zeit in Anspruch nahm, wurden die Bergleute angehalten, bei „Herzattacken“ diese Kapseln zu zerbeißen. Von 1972–74 ereigneten sich über drei Jahre zehn tödliche Herzinfarkte unter Tage. Von 1975–83 waren es über neun Jahre nur noch zwei Todesfälle, wobei einer dieser Bergleute situationsbedingt keinen Zugang zu den Kapseln hatte (62). Das sind keine harten Daten, aber es ist ein drastischer Mortalitätsrückgang im Zusammenhang mit einer perlingualen Strophanthinapplikation. Strophantin hat einen antiazidotischen Effekt im ischämischen Myokard. Bei experimentell an Ratten durch Ligatur einer Koronararterie ausgelöstem Myokardinfarkt resultierte ein signifikanter pH Abfall im ischämischen Gewebe (von 7,4 auf 6,7). Durch i.v.-Applikation von Strophanthin wurde der pH Wert innerhalb kurzer Zeit auf 7,2 angehoben. Digoxin war ohne entsprechenden Effekt (63). Die Azidose verursacht den a nginösen Schmerz und ist der entscheidende Trigger von Apoptose und Zelltod. Die perlinguale Strophanthin Applikation eignet sich gleichermaßen wie ein Nitrospray zur Kupierung eines akuten Angina pektoris Anfalls. Strophanthin setzt ACh aus den postganglionären Synaptosomen und NO aus dem koronar-arteriellen Endothel 
frei. Nitroglyzerin setzt ebenfalls NO frei. Beide Effekte münden in einem Anstieg von cGMP, führen zu Vasodilatation und haben über eine Blockierung des azidotischen Prozesses im Myokard einen direkten kadioprotektiven Effekt bei Ischämie. Im Tierversuch erbrachte die vorausgehende Gabe von Strophanthin durch Aktivierung multipler Signalkaskaden eine beträchtliche Schutzwirkung gegenüber Ischämie und Reperfusion (48, 64). Dieser Effekt im Sinn einer Präkonditionierung sollte Veranlassung geben zu überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, vor jeder koronaren Intervention, sei es per Katheter oder Operation, zuvor Strophanthin zu applizieren. In der Behandlung der Angina pectoris und in der Herzinfarkt-Prophylaxe sollte Low-dose-Strophantin seinen festen Platz finden.
Notwendigkeit weiterer Studien „Harte Daten“ dafür, dass Strophanthin die Herzinfarktrate senkt und das Leben verlängert, liegen bisher nicht vor. Das sollte jedoch kein Grund sein, Strophanthin auch in Zukunft nicht weiter zu beachten, sondern Ansporn, eine suffiziente kontrollierte klinische Studie auf den Weg zu bringen, um diese Zusammenhänge abzuklären. Die folgenden gesicherten Effekte von Low-dose-Strophanthin qualifizieren diese Substanz für eine Studie zur Gewinnung harter Daten: 1. Low-dose-Strophanthin stimuliert die Natrium-Pumpe. 2. Es stimuliert die Freisetzung von ACh aus Synaptosomen im zentralen und peripheren Nervensystem, nachweislich auch im Myokard. 3. Es steigert die Barorezeptoren-Reflexsensitivität. 4. E s stimuliert die Produktion von NO im arteriellen Endothel und steigert die NO-Bioverfügbarkeit durch Senkung oxidativer Stressaktivität. 5. E s stimuliert die ANP Produktion.
6. Es aktiviert verschiedene Signalkaskaden in kardialen Myozyten, worüber diese durch Abdichtung der Mitochondrien einen Schutz gegen Ischämie und Reperfusion erfahren. 7. Es steigert die Kontraktionskraft des insuffizienten Myokards. 
Weitere abzuklärende Einsatzgebiete: Da bei Alzheimer Demenz die Degeneration ACh-haltiger Fasern im Vordergrund steht und Strophanthin ACh aus Synaptosomen freisetzt, sollte die Applikation von  Strophanthin bei dieser Erkrankung eine Untersuchung wert sein. Wer viel mit Low-dose-Strophanthin umgeht, dem entgehen nicht die psychotropen Effekte dieser Substanz: Anxiolyse, Stimmungsaufhellung und ein allgemeines „Wohligkeitsgefühl“. Auf diesem Feld sollte die klinische Forschung eingreifen. Substanziell Belegbares kann für die verschiedenen psychotropen Effekte gegenwärtig nicht angeführt werden. Das im Hypothalamus produzierte „Wohlfühl-Hormon“ Oxytocin stimuliert den Vaguskern in der Medulla (65) und besitzt kardioprotektive Eigenschaften (66). Die Oxytocin-Rezeptoren sind Magnesium und Cholesterin  abhängig (67). Strophanthin stimuliert in k ardialen Myozyten die Cholesterin-Synthese und den Efflux des Cholesterins an die Zelloberfläche bei gleichzeitiger Steigerung der Ubiquinon-Produktion und damit der Zellatmung und ATP-Produktion (68). Diese angeführten Zusammenhänge beweisen nichts. Sie sollen lediglich einen Eindruck von den vielfältigen ungelösten, spannenden Fragen vermitteln, die Low-dose-Strophanthin der Forschung aufgibt.
Interessenkonflikt Es besteht kein Interessenkonflikt.
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--K. Sroka: Strophanthin
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